Wenn ich ehrlich bin, hatte ich zum Zeitpunkt der Adoption von Jake keine Ahnung davon, wie man eine Bindung zum Hund aufbaut, geschweige denn überhaupt mit ihm umgehen sollte. Dementsprechend chaotisch waren auch die ersten Wochen in Kanada, in denen ich mich mehr am Hund orientiert habe als andersrum. Mit der Zeit habe ich allerdings einiges dazugelernt und vor allem durch learning-by-doing eine enge Bindung zum Hund herstellen können. Hier zeige ich dir, auf welche Dinge zu achten sind und wie auch du die Beziehung zu deinem Vierbeiner verbessern kannst.
Bindung zum Hund – was bedeutet das eigentlich?
Es gibt mehrere Indikatoren dafür, ob man eine starke oder schwache Bindung zu seinem Vierbeiner hat. Kommt er von sich aus nie zu dir oder hält sie sich auffallend oft in anderen Räumen auf, kann das einer davon sein. Auch beim Gassigehen kann sich das äußern, indem der Rückruf nur selten funktioniert oder alles andere spannender ist als der Mensch. Zeigt der Hund Aggressionsverhalten beim Füttern, kann man davon ausgehen, dass er den Zweibeiner nicht als Sozialpartner anerkennt. Dabei spielt die Bindung logischerweise auch eine große Rolle.
Im Endeffekt ist sie wie eine imaginäre Leine. Habe ich eine gute Beziehung zum Hund, dann steht er mir im wahrsten Sinne des Wortes auch näher. Haben wir jedoch keinen gemeinsamen Kern, ist er bildlich betrachtet nicht mal am Ende der Leine, sondern irgendwo auf der anderen Seite der Wiese. Wie beim Menschen auch haben Hunde zu manchen Menschen eine stärkere, zu anderen eine schwächere Verbindung. Aber worauf kommt es hierbei denn genau an?
Biete deinem Hund Anerkennung, Sicherheit und Verlässlichkeit
Eine absolute Grundvoraussetzung für eine starke Bindung ist die Anerkennung des Hundes als das Lebewesen, das er ist. Jedes Tier hat Bedürfnisse – wie wir Menschen. Viele sind ähnlich, einige sind anders. Mit einem Hund auf dem Arm spazieren gehen, ihn hochheben, sobald andere Hunde in Sicht sind, die Krallen lackieren, keinen Rückzugsort geben oder physische Gewalt anwenden (ja, auch Leine auf den Hund werfen) hat schlicht und einfach nichts mit artgerechtem Umgang zu tun. Respektierst du hingegen seine Bedürfnisse, wird er umso mehr deine Nähe suchen. Warum sollte er auch für sich bleiben, wenn er bei dir alles findet, wonach er sucht?
Ein Hund muss sich auf den Halter verlassen können – sei also konsequent! Das betrifft ALLES, was du tust. Ich kann nicht heute auf ein „Komm!“ bestehen, um es morgen nicht durchzuziehen. Genauso geht es an den Napf, erst wenn das Kommando kommt und nicht wann es deinem Kumpel Recht ist. Besonders bei Rudeltieren wie den Hunden ist es sehr wichtig, dass du als Schlauberger und Mister/ Miss Alleskönner of the Universe Verlässlichkeit ausstrahlst, damit du derjenige bist, an den sie sich orientieren können.
Als Konsequenz wird sich dein Hund sicher fühlen. Er kann ja auf dich zählen, egal was passiert. Du sorgst dich um das Essen, das wie Zauberhand aus einem Dingsbums rauskommt und gar nicht wie ein erlegter Hase aussieht. Du führst ihn sicher durch die Menschenmenge der Innenstadt und du bist schließlich auch derjenige, der die am besten riechenden Wiesen und tollsten anderen Hunde kennt, denen ihr beim Gassigehen begegnet.
Schenke deinem Hund Aufmerksamkeit
Gemeinsam Zeit zu verbringen bedeutet nicht automatisch gute Zeit zu verbringen. Wenn jeder sein eigenes Ding treibt und kaum Interaktion stattfindet, verschenkt man wertvolles Potential zur Verbesserung der Bindung. In Zeiten der Digitalisierung lässt sich das am Beispiel des Gassigehens ganz gut beschreiben. Es gibt hier unglaublich viele Möglichkeiten, mit dem Hund Spiele zu spielen, ihn schnuppern und markieren zu lassen, Dinge zu suchen oder Kommandos zu üben. Verbringt man allerdings einen Großteil des Spaziergangs mit Facebook, Instagram und Co., hat das nichts mit Aufmerksamkeit zu tun. Genauso wenig, wenn ich nur die Runde laufe und gar keine Kommunikation stattfindet. Wenn er deinen Augenkontakt sucht und du bist anders beschäftigt oder nimmst ihn nicht wahr, was soll der Hund damit anfangen? (So kannst du deine Gassirunde und Hundealltag aufpeppen!)
Aber auch drinnen kann man verschiedene Dinge tun, um die Beziehung zum Hund zu verstärken. Die meisten von uns wissen bereits, dass beim Menschen das Hormon Oxytocin ausgeschüttet wird, sobald man mit jemandem kuschelt, z.B. auch mit Hunden. Dass der gleiche Effekt allerdings auch bei Hunden auftritt, ist eine interessante Erkenntnis. Wir können das “Bindungshormon” sozusagen regelrecht aus dem Hund kuscheln! Also, worauf wartest du noch?
Die Zeit, die du mit deinem Hund verbringst, sollte also nicht nur ausreichend sein, sondern auch eine gewisse Qualität haben. Dabei spielt es keine Rolle, wenn man zeitweise mit sich selbst, dem Handy oder anderen Dingen beschäftigt ist. Es geht einfach darum, den Hund als Sozialpartner wahrzunehmen und nicht die überwiegende Zeit mit (unwichtigeren) Sachen zu vergeuden.
Investiere Zeit deinen Hund kennenzulernen!
Alle bisher beschriebenen Tipps und Hilfestellungen kannst du logischerweise nur dann richtig und gut anwenden, wenn du deinen Hund kennst. Und zwar gut kennst. Natürlich behauptet jeder, seinen Hund in- und auswendig zu kennen. Aber wenn du mal überlegst: Hast du wirklich schon ALLES ausprobiert, was dein Hund mögen könnte?
- Hast du Bälle, Frisbees und Stöckchen zum Holen geworfen?
- Mag dein Hund im Wasser schwimmen?
- Bist du dir sicher, ob er nicht gerne Karottenscheibchen sucht?
- Wie schaut es mit Agility aus? Oder Konzentrationsspielen?
- Vielleicht mag er es aber auch, Purzelbäume, zweieinhalbfache Schrauben oder einfachere Tricks zu erlernen?
Diese kleine Auswahl an Aktivitäten kann man natürlich noch beliebig erweitern. Dementsprechend lohnt es sich, viel Zeit aufzuwenden! An sich ist das aber eigentlich eine tolle Sache, gemeinsam mit dem Hund durch`s Leben zu gehen und ihn so besser kennenzulernen. Ich freue mich immer wieder, wenn Jake die Zeitung reinträgt, während ich mit meinem Einkauf genug zu tragen habe. Er macht es gern und ich kann förmlich spüren, welch eingespieltes und tolles Rudel wir doch sind. Ich bilde mir sogar ein, dass sein Gang dabei etwas von stolzieren hat. Aber vielleicht liegt es einfach daran, dass die Zeitung so groß und seine Beine so kurz sind.
Jeder Mensch ist einzigartig. Jeder Hund ist einzigartig. Man glaubt es kaum, ist aber so. Dementsprechend unterscheiden sich die Persönlichkeiten und Bedürfnisse immer zumindest ein bisschen. Der eine Hund rennt hundert Mal dem Ball hinterher, der andere (z.B. Jake) erkennt keinen Sinn daran und ist besser bedient beim Suchspiel, an dessen Ende es ein unglaublich leckeres Käsestückchen gibt. Mit der Zeit findet man viele Dinge über den Hund heraus und hier liegen die Chancen, die Bindung zu stärken, indem wir seinen Bedürfnissen gerecht werden.
Wenn wir viel Zeit und Aufmerksamkeit investiert haben und unsere Hunde genau kennen, können wir ihnen einiges an Lebensqualität bieten. Die Anerkennung als Lebewesen Hund und der Respekt vor seinen Bedürfnissen ist dabei ganz entscheidend. Unsere Verlässlichkeit und Konsequenz gibt dem Hund ein sicheres Gefühl, denn er muss eigentlich nichts weiter tun, als uns zu folgen. Einer starken Bindung steht also nichts mehr im Wege!
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