Im letzten Artikel ging es um die OP von Jake an den Kreuzbändern und die Monate danach. Jeder Hundebesitzer, der schon mal bei seinem Vierbeiner eine OP miterlebt hat, weiß, wie anstrengend so eine Zeit sein kann. Irgendwann sehnt man sich regelrecht danach, den Hund wieder von der Leine zu lassen und ihm alles bieten zu können, was das Leben so bietet. Nach circa 6 Monaten war es an der Zeit, ihn wieder normal rennen zu lassen. Es lag viel Schnee und wir machten einen Ausflug. Ich ließ ihn von der Leine nach nur wenigen Sekunden passierte es… Zack, Adduktorenzerrung!
Eine Adduktorenzerrung ist zwar keine schlimme Verletzung, jedoch war es eine Art Rückfall. Aber wie konnte es dazu kommen? Eigentlich konnte er doch wieder ganz normal laufen?
Ein typischer Fall nach einer OP
Ein oft (und in diesem Fall auch von mir) unterschätzter Faktor, vor allem nach operativen Eingriffen bei Hunden, ist die richtige Weiterbehandlung danach. Nehmen wir mal ein einleuchtendes Beispiel am Menschen, und zwar an mir selbst. Nachdem mir beim Fussballspielen zweimal die Kniescheibe (= mein Spitzname im Team) rausgeflogen war, war es an der Zeit, sie operieren zu lassen. Es lief alles gut, aber natürlich stand wie nach vielen Operationen beim Menschen (z.B. auch bei dir?) eine lange Phase des „Wiederaufbaus“ des entsprechenden Bereichs an. Durch Schonung, aber auch gezielte Belastung des Knies konnte ich nach und nach alte Bewegungsmuster wieder „neu lernen“ und es nach einiger Zeit wieder uneingeschränkt bewegen und Sport betreiben. Auch dank der Physiotherapie habe ich nun seit vielen Jahren keinerlei Probleme mehr gehabt. So weit, so logisch.
Übertragen wir das Ganze nun auf den Hund, so ergibt sich ein ähnliches Bild. Hier können wir den bereits erwähnten Kreuzbandriss von Jake als Beispiel nehmen. Die OP erfolgte und der Hund konnte danach erstmal kaum laufen. Uns wurde mitgeteilt, dass es bis zu sechs Monate dauern kann, bis er wieder ganz normal spielen und rennen kann. Wir fingen also schrittweise an, die Belastung des operierten rechten Hinterbeines hochzufahren. Am Anfang ging es noch darum, ihn irgendwie nach draussen zu befördern, damit er sein Geschäft verrichten kann (durch Tragen oder in Form einer „Tragetasche“, die seine Hinterbeine entlastet, da man ihn mit dieser Methode anheben kann). Nach einer Weile auch vermehrt selbstständig laufen lassen.
Nun war es so, dass uns keine Physiotherapie empfohlen wurde, um den Heilungsprozess zu beschleunigen. Es hieß nur, dass sich der Hund durch die ständige Verlängerung der Gassidauer bzw. Mehrbelastung quasi selbst heilt. Deshalb war es auch nicht beunruhigend, als Jake nach vier Monaten immer noch nicht rund lief. Wir hielten uns einfach an die Vorgabe und erhöhten die Belastung von Jakes Beinen kontinuierlich. Musste er am Anfang noch die Treppen hoch- und runtergetragen werden, so konnte er das nach einiger Zeit wieder selber tun.
Als Jake wieder ganz normal laufen konnte und kein Humpeln oder auffälliger Gang mehr erkennbar war, ließ ich ihn bei einem Ausflug freilaufen. Er war noch gar nicht richtig losgerannt, da war es schon passiert. Er konnte sein operiertes Bein nicht mehr belasten und ich befürchtete schon das Schlimmste, nämlich dass er sich wieder das Kreuzband gerissen hätte. Beim (anderen) Tierarzt stellte sich dann aber heraus, dass es „nur“ eine Adduktorenzerrung war. Puh, noch mal Glück gehabt!
Um eine Erkenntnis reicher geworden
Interessant war allerdings, was dann festgestellt wurde. Rund um das operierte Bein hatten sich die Muskeln stark zurückgebildet. Dass dann eine Verletzung entsteht, war also eigentlich nur eine Frage der Zeit. Wenn die Beine eine unterschiedlich starke Muskulatur haben, werden sie auch unterschiedlich stark belastet. In Jakes Fall hatte das linke Bein das rechte Bein entlastet. Dadurch war das linke Bein einer hohen Belastung ausgesetzt und das rechte kaum. Das wiederum hat dafür gesorgt, dass sich sein Gang daran angepasst und das rechte zu keiner Zeit richtig „benutzt“ wurde.
Hier wurde mir bewusst, dass mein eigenes Auge nicht ausreichend war, um den Gesundheitszustand von Jake richtig einzuschätzen. Ich bin davon ausgegangen, dass sein Bein okay war, da sein Gang wieder normal schien. Ich konnte aber nicht richtig beurteilen, ob seine Muskulatur wieder aufgebaut war. Aus dieser Erfahrung heraus werde ich mich in Zukunft bei einem ähnlichen Fall direkt an einen Physiotherapeuten wenden und mit Jake entsprechende Übungen machen.
Physiotherapie senkt die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Verletzung
Nach einem halben Jahr war also deutlich geworden, warum es nicht ausreicht, die Belastung einfach langsam zu steigern. Mindestens genauso wichtig ist, das verletzte bzw. operierte Bein gezielt durch Physiotherapie zu belasten und trainieren. Auf diese Weise sieht man auch fast wöchentlich die Fortschritte im Muskelaufbau und kann den verletzten Bereich wieder stabilisieren. Es ist nur logisch, dass der verletzte Bereich dadurch weniger anfällig für Verletzungen ist.
Während ich diesen Artikel schreibe, befindet sich Jake gerade in der „Schlussphase“ seiner Physiotherapie. Wie diese genau funktioniert und welche interessanten Erfahrungen wir dort gemacht haben, erfährst du hier!
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