Jeder, der einen Hund hat, kann seine eigene individuelle Geschichte erzählen. Diese hier ist unsere. Es ist eine ungewöhnliche Story, die vor einigen Jahren am anderen Ende der Welt ihren Lauf nahm…
Als sich 2011 die Schulzeit dem Abschluss näherte, stellte sich immer mehr die Frage, was ich danach machen würde. Wie viele andere Halberwachsenen hatte ich den Drang, eine große Reise zu unternehmen. Es war schon seit mehreren Jahren immer im Hinterkopf gespeichert, dass ich eines Tages nach Kanada gehen werde, weit in die tiefe Wildnis (ein Dank geht raus an Andreas Kieling und all die anderen sehnsuchtserzeugenden Dokumentarfilmer und Autoren).
Nach der Schule ist eine der seltenen Gelegenheiten, Träume ohne größere Sorgen zu verwirklichen, also war das Thema recht schnell durch. Ich kratzte all meine Ersparnisse zusammen, verkaufte mein geliebtes Auto (Fiat Seicento alias Knutschkugel) und hatte mit Unterstützung meines engeren Familienkreises ein überlebensfähiges Sümmchen zusammen. Toll war natürlich auch, dass meine Freundin Lena auch Lust hatte mitzukommen.
Mit Work&Travel nach Kanada!
Mit einem Work and Travel-Visum ging es dann für drei Monate in den Westen Kanadas, genauer gesagt nach Vancouver. Die meiner Meinung nach – neben Sevilla – schönste Großstadt der Welt (die ich bisher gesehen habe) war schon mal eine ordentliche Ansage der Kanadier. Die Sauberkeit, netten Menschen, das Meer, die schneebedeckten Berge und die Vielfalt der Kulturen machen die Stadt nicht umsonst in vielen Rankings zu eine der lebenswertesten Städte überhaupt.
Da wir beide noch zu jung waren, um uns ein Auto mieten zu dürfen (20 und 19 Jahre), entschieden wir uns schon vor der Ankunft, dort ein Auto zu kaufen. Also einen Van. Mit drinnen Schlafen und so. Ist auf die Dauer deutlich günstiger, als immer in Hostels zu schlafen. Wissen wir nämlich ganz genau, weil die ersten zwei Nächte richtig teuer waren. Dementsprechend schnell hatten wir dann einen sehr schönen Chevrolet Astro Van. Man geht einfach zu ein paar Autoverkäufern, entscheidet sich für ein Auto und am nächsten Tag ist das Ganze erledigt.
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Die Reise ging los Richtung Landesinnere über die touristischen Hotspots Banff, Lake Louise, mitten durch die Rocky Mountains. Es ist schon interessant die Attraktionen gesehen zu haben, aber eigentlich war es auch enttäuschend. Für mich steht eine Großzahl an Touristen irgendwie konträr zu der Vorstellung Kanadas, die Einsamkeit, Ruhe, Wildnis beinhaltet. Was bringt es mir behaupten zu können, mit einem Kanu auf dem Lake Louise gefahren zu sein? Ist doch auch okay sagen zu können, dass ich zu geizig war, für eine halbe Stunde Kanu fahren 35 (!) Dollar zu bezahlen. Nach circa einer Minute sind wir wieder gegangen, aber für`s Postkartenbild hat es noch gereicht.
Die Autofahrt dagegen war jede einzelne Sekunde wert. Einfach das Tempomat an und gucken.
Als wir gerade die Rocky Mountains hinter uns gelassen hatten, ging die Lichtmaschine vom Auto kaputt und wir mussten kurz vor Calgary anhalten. Hier lernten wir zum ersten Mal die Herzlichkeit der Kanadier kennen. Zwei ältere Kerle gaben uns mit ihrem gigantisch großen Campingbus Energie genug, um den Van wieder zum Laufen zu bringen. Kurze Zeit später kam einer der beiden noch mal zurück, nur um uns noch eine Tüte voller Kirschen zu überreichen. Eine kleine, aber ziemlich “erfrischende” Geste. Leider zuckelte das Auto kurze Zeit später wieder gewaltig und wir rollten förmlich die nächste Ausfahrt raus in einen kleinen Industriepark. Wir hatten hier wirklich großes Glück im Unglück. Wir rollten ernsthaft auf den Parkplatz einer Autowerkstatt. Sie tauschten die Lichtmaschine aus und es konnte weitergehen.
So atemberaubend es angefangen hatte, so langweilig wurde es mit der Zeit, parallel zum Verschwinden der Berge. Die Landschaft wurde immer flacher – Alberta. Was wie ein Name einer Kuh auf Schorschls Bauernhof klingt, ist in Wirklichkeit der Bundesstaat neben British Columbia und eignet sich tatsächlich auffällig gut für Kühe als Bewohner. Flach, wiesig, langweilig, soweit das Auge reicht.
Kein Geld, aber jede Menge Kirschen
Über Umwege landeten wir wieder im Süden British Columbias in einem kleinen Kaff namens Okanagan Falls, gelegen am wunderschönen Skaha Lake. Unsere Reiseschecks waren alle und mit der Überweisung des restlichen Geldes ging etwas schief, sodass wir für mindestens eine Woche kein Geld mehr hatten.
Okay, glatt gelogen. Wir hatten laut Reisebuch noch 2,37$.
Wir mussten uns also irgendwie in diesem Seelendorf herumschlagen. Es stellte sich jedoch heraus, dass sich dieser Ort in einer Weinbauregion (!) befindet und gerade die Zeit reif war für die Kirschernte. Wir fragten einfach irgendwelche Leute und landeten auf einer Forschungsanlage für unbehandeltes Obst, bei der wir für zwei Tage aushalfen. Leider hatten sie nicht mehr Arbeit, aber wie der Zufall es wollte, brauchten die Nachbarn jede Hilfe, die Kirschen zu pflücken.
Man sollte vielleicht noch wissen, dass ein Nachbar in Kanada nicht einfach ein Nachbar mit Garten ist. Es ist eher ein Nachbar mit einem großen Garten. Einem sehr großen Garten. Oder sogar einer ganzen Plantage bzw. Farm. Somit hatten wir für die ganze Woche Arbeit und mit ein paar hundert Kröten in der Tasche und einer erfolgreichen Kontoüberweisung konnte es weitergehen, nur wohin?
In die Wildnis…
Eine Option war anfangs von der West- bis zur Ostküste zu fahren, aber das flache Land hatte uns abgeschreckt. Spontan kam die Idee, etwas einigermaßen Verrücktes zu tun:
Vom südlichsten Punkt nahe der US-amerikanischen Grenze bis hoch nach Alaska zu fahren!
Nachdem ich viele Filme, Dokus, Bücher und insbesondere den Film „Into the Wild“ gesehen und das gleichnamige Buch gelesen hatte, war Alaska ein Sehnsuchtsort geworden. In dem Film geht es um die wahre Begebenheit, in der ein junger Mann sich auf eine lange Reise macht, bis nach Alaska. Selbstfindungstrip und so. Ich will ja hier keine Details verraten, aber die ganze Story war schon irgendwie cool. Wildnis. Natur. Einsamkeit. Freiheit.
Gesehen, gelesen, getan. Das Ziel war erst einmal Dawson City, die berühmte und ehemals größte Goldgräberstadt in Nordamerika um 1900. Einfache Strecke: 3200 km nordwärts.
Mit der Zeit wurden die Abstände zwischen den Orten immer größer und die Zivilisation schien sich immer weiter zu entfernen. Nach einigen Tagen erreichten wir den Alaska Highway. Eine geteerte Straße, und das fernab des großen Verkehrs. Wenn man in solchen Regionen fährt, weiß man das tatsächlich zu schätzen. Wilde Tiere wie Karibus (die nordamerikanischen Rentiere), Schwarzbären und eine auf der Straße chillende Bisonherde sieht man auf dieser Strecke nun immer häufiger.
Nach einer knappen Woche erreichten wir Yukon. Der Bundesstaat mit einer Fläche vier Mal so groß wie Deutschland, aber nur 35.000 (!) Einwohnern, entspricht tatsächlich der Vorstellung über das einsame, wilde Leben im Norden Kanadas. Gleich am Anfang gab es dann gleich eine Attraktion zu bestaunen, den Signpost Forest am Watson Lake.
Mehr als 100.000 Schilder haben Besucher aus aller Welt hier in den letzten Jahrzehnten aufgehängt!
Nun gab es alle paar hundert Kilometer eine Tankstelle, teilweise mit Duschen für die Reisenden. Der Spritpreis war nahezu verdoppelt im Vergleich zum Süden und damit erstmals teurer als in Deutschland – Frechheit!
Über die Hauptstadt Whitehorse kam dann der letzte Abschnitt mit knapp 600 km.
Auf der Landkarte waren einige wenige Orte eingetragen. Okay, eigentlich waren es Häuser. Aber die Häuser hatten Ortsnamen. Soll heißen, es waren Orte, bestehend aus einem Haus. Das erfährt man aber erst, wenn man endlos lange fährt und sich irgendwann die Frage stellt, ob dieser Ort nicht schon seit langem hätte kommen müssen. Egal, schließlich gab es ja bei jedem Halt „World Famous Chickenburger/ Pizza/ Steaks/ Fries“. Hauptsache was mit Fett. (Anfangs dachten wir, es sei tatsächlich so und auf dieser Route gab es wohl hier und da berühmte Figuren aus der Geschichte des Landes, z.B. Meisterköche, die den amerikanischen Fast-Food-Mythos mitbegründeten. Okay, naiv war`s schon, aber wer hinterfragt so etwas auch, wenn er geblendet ist vom eigenen Reinsteigern in diese Abenteuerfahrt.)
Für alle Englischpfosten: „World Famous“ heißt übersetzt so viel wie „einigermaßen lecker“.
Der Norden Kanadas, Goldsucher und die Frage nach dem Tierheim
Irgendwann war es dann soweit, die Wälder wurden karger und der Nordpol lag in Reichweite (nur noch 2895 Kilometer) – Dawson City. Hier sollte sich mein Leben nachhaltig verändern, aber erst einmal zur „Stadt“. Im Sommer leben hier 2000 Einwohner, im Winter die Hälfte. Obwohl es nur bis zu minus 50 Grad werden kann. Weicheier. Jeder Winkel dieser Stadt erinnert an das Erbe der legendären Goldgräberzeit. Saloons, die Architektur, ein Dampfradschiff, alles was das Geschichtslehrerherz begehrt. Der berühmte Jack London, Literaturkennern und alkoholabhängigen, lonesome Hinterwäldlern ein Begriff (u.a. „Ruf der Wildnis“, „Wolfsblut“), lebte hier unweit entfernt und noch heute kann man seine ehemalige Unterkunft besichtigen.
Alles passt ins Bild, nur die Autos nicht, aber gut. Hatten ja selbst eins. Am nächsten Tag googelte ich, ob es hier nicht ein Tierheim gibt. Klar, jedes Kaff hat ein Tierheim…nicht. Dawson hatte aber tatsächlich eins. Also, warum nicht mal vorbeischauen und einen Hund mitnehmen? 🙂
Zu diesem Zeitpunkt war mir noch nicht klar, wie weit einen manchmal die eigene Naivität bringen kann…
4 Comments
Was für ein Abenteuer 🙂
Mega cool, Kanada soll wirklich toll sein.
Da freue ich mich auf eine Fortsetzung! Roadtrip und Kanada steht auch noch auf unserer Liste. In jedem Fall ein toller Bericht!
Kanada würde mich ja schon auch mal reizen… Roadtrip gerne, aber für hinten auf der Ladefläche schlafen fühle ich mich glaube ich zu alt 😉 Zitat Ich – Mitte 30! Das sieht aber echt nach nem großen, coolen Abenteuer aus! LG Anke
Geht schon! Dann nimmst du einfach eine dickere Isomatte 😉